15 Jahre Erhebungen zum sogenannten „Beikonsum“

Was und wieviel konsumieren unsere Klienten* neben ihrem verschriebenen Substitutionsmedikament?

16. März 2021

2005 ging es los – erstmals fragten wir das „Handlungswissen“ derjenigen ab, die im Notdienst Berlin e.V. die psychosoziale Betreuung von Menschen durchführen, welche sich in einer ärztlichen Substitutionsbehandlung befinden. Im Fokus unserer standardisierten Fragebögen stand und steht der zusätzliche Konsum psychoaktiver Substanzen neben dem jeweils verwendeten Substitutionsmedikament.

Die Befragung, die jährlich über einen gesamten Monat in allen relevanten Einrichtungen durchgeführt wird, zeigt längs- und quervalidierte Massendaten in einzigartiger Qualität, Umfänglichkeit und Differenziertheit. Über nun mittlerweile 15 Jahre sehen wir kurz-, mittel- und langfristige Veränderungen von Konsummustern, differenziert nach Alter, Geschlecht und Behandlungsdauer. Das ermöglicht es uns, fundierter und gezielter mit angemessenen Interventionen zu reagieren, wo immer dies erforderlich ist. Zusammenhänge zwischen dem Konsum verschiedener Substanzen und Alltagskompetenzen sind uns bestens bekannt, so sind z.B. Arbeits-, Beziehungs- und Erziehungsfähigkeit davon betroffen. Nicht immer gibt es Antworten und viele Fragen bleiben zu beobachten, z.B. der Zusammenhang zwischen praktiziertem Konsummuster und den Entwicklungen des Schwarzmarktes oder der Beikonsum gegenüber neuen Behandlungsmöglichheiten.

Zu den immer wieder bestätigten Gewissheiten zählt:

  • Bei weitem nicht alle Substitutionspatient*innen praktizieren einen zusätzlichen Konsum psychoaktiver Substanzen. Diese Behauptungen können eindeutig widerlegt werden.
  • In allen Altersgruppen gibt es erst kurz substituierte Menschen, d.h. ein erstmaliger oder erneuter Substitutionsversuch bleibt auch für ältere Männer und Frauen eine attraktive Option.
  • Die „Haltekraft“ (Behandlungsdauer) entscheidet über den Stabilitätsgewinn (auch in Sachen zusätzlicher Konsum).
  • Jüngere Männer und ältere Frauen konsumieren tendenziell „chaotischer“. Warum dies so ist und was daraus folgt, verraten die Daten nicht mit Gewissheit und muss weiter beobachtet werden.

Es gibt jenseits temporärer Schwankungen längerfristige Trends:

  • Der zusätzliche Konsum von Stimulanzien (Kokain und Amphetamine) ist in den letzten zehn Jahren stetig gestiegen, auf insgesamt 15% bis 20 % aller inkludierten Betreuungsfälle.
  • Weit über ein Viertel der psychosozial betreuten Subsituierten konsumiert auf problematische Weise Alkohol.
  • Die Steigerung des Benzodiazepin-Konsums ist nur geringfügig, der zusätzliche Heroin-Konsum liegt stabil bei ca. 20 %. Hier tragen die verbesserten Behandlungsoptionen Früchte.
  • Fast 2/3 der Befragten konsumieren „polyvalent“, das heißt, neben dem Substitutionsmedikament werden zwei oder drei oder mehr Substanzen auf „problematische“ Weise konsumiert. Die Bewertung eines Konsummusters als „problematisch“ berücksichtigt die konkrete physische, psychische und soziale Situation und auch das jeweilige Behandlungsstadium. Die Frage ist letztlich, ob es dringenden Interventionsbedarf gibt.

Die in 15 Jahren gesammelten Informationen und deren Bewertungen bieten Anlass zu Optimismus im Hinblick auf Effekte von Behandlung und Betreuung, verdeutlichen aber auch alljährlich, vor welch riesigen Herausforderungen wir stehen.

Detaillierte Informationen finden Sie hier

.inactive-service { opacity:0.32; }